Ein Abend der Besinnlichkeit
Chorkonzert Der Kammerchor Oberaspach erhält in der gut gefüllten Haller Katharinenkirche nicht enden wollenden Applaus. Das Programm ist ganz auf den Volkstrauertag ausgerichtet.
Schwäbisch Hall. Zum Volkstrauertag bringt der Kammerchor Oberaspach in der sehr gut besuchten Haller Katharinenkirche unter der Leitung von Sebastian Herrmann ein ganz das Gedenken der Verstorbenen ausgerichtetes Abendkonzert unter dem Titel „Fände Ruhe am schattigen Ort“ zu Gehör. Begleitend, auch solistisch treten dem Chor der Organist Antal Váradi aus Ungarn und der Haller Harfenist Tobias Southcott zur Seite. Nach Begrüßungsworten, die auf die durch den Ukrainekrieg gesteigerte Aktualität der Thematik hinweisen, beginnt die Orgel ganz sanft die Hymne nach Psalm 55 „Hör mein Bitten“ von Mendelssohn. Alsbald tritt die Sopranistin Annika Stegger hinzu und gestaltet mit weicher Stimme die abendliedhafte Atmosphäre. Der Chor bringt mit den Worten „Die Feinde, sie drohen…“ Dramatik ins Geschehen; der Vortrag – auch der der Solistin – wird vitaler, auch etwas aggressiver. Aber diese Emotionalität bleibt doch moderat und gedeckt, dem Charakter des Abends angemessen. Eher rezitativisch singt Annika Stegger „Gott, hör mein Fleh’n“; der Chorsatz „O, könnt’ ich fliegen“ ist liedhaft melodisch; im Zusammenwirken mit der Solistin stellt der Chor die Hauptrolle der Sängerin nicht infrage, und die Hymne endet mit den titelgebenden Worten „fände Ruhe am schattigen Ort“. Die Orgel ist stets unauffällige Dienerin des Geschehens. Orgel und Harfe begleiten Rheinbergers Frauenchor „Wie lieblich sind deine Wohnungen“. Das Stück zeigt melodischen Überschwang, und die vier Frauenstimmen kommen bei „selig sind, die in deinem Hause wohnen“, fast engelsgleich rüber. In extremer Sopranlage spürt man allerdings die Höhe. Die Harfe beendet mit virtuosen Figurationen den Satz. Der sehr kontemplative „Begräbnisgesang“ von Brahms ist mit häufigen tiefen Unisoni von altkirchlicher Musik inspiriert und im Zusammenwirken von Frauen- und Männerstimmen oft responsorial. Ebenfalls sehr am Unisono und an Kontemplativität orientiert ist Frank Martins „Pater Noster“ von 1945, das ganz leichte Anklänge an die Moderne aufweist. Das Orgelsolo, eine Cantilene aus der Orgelsonate Nr. 11 von Rheinberger, fließt ruhig und in sanfter Bewegung dahin. Als das umfangreichste Werk des Abends beendet das „Requiem“ op. 48 von Gabriel Fauré (1845-1924) das Programm. „Introitus und Kyrie“ beginnt mit einem absteigenden, sehr leisem Chormotiv. Bei „et lux perpetua luceat eis“ werden die Männerstimmen kurzfristig etwas belebter, leuchtender, aber alsbald endet das Kyrie mit ganz weichem Chorklang, hauchzart von der Orgel untermalt. Das „Offertoire“ wird vom deutsch-polnische Bassbariton Jan-Henrik Witkowski gestaltet und von der Orgel begleitet. Witkowski singt zurückhaltend, doch mit voluminösem, schönem Stimmklang, der bei „de morte transire“ deutlich an Vitalität zunimmt, der aber beschließend mit „et semini eus“ wieder ganz zur Ruhe kommt. Die Harfe leitet das „Sanctus“ ein, das im Wechselgesang von Männer- und Frauenstimmen zum kraftvollen „Hosanna“ weiterführt. Melodischer, von leicht impressionistischem Flair der Harmonik erklingt das Sopransolo „Pie Jesu“. Im „Agnus dei“ trägt die Orgel lebhafter die relativ großen dynamischen Chorklänge. Auch bei „Lux aeterna“ erklingt die Orgel in bewegter, harmonisch voller werdender Weise. Dynamisch stark differenziert erklingt das „Libera me“ als verhalten-intensiv gestaltetes Baritonsolo. Bei „Dies illa, dies irae“ darf sich der Chor in größeren Akkordauftritten ergehen. Sehr hohe, leise Sopranstimmen beenden das Werk, getragen von leichtfüßigem rhythmisch-motivischem Orgelfundament. Man ist beeindruckt von der Klangvariabilität, die Antal Váradi dieser Orgel im Bereich der zarten, leichten Töne zu entlocken weiß. Nach langer, ergriffener Stille, ergeht sich die Hörerschaft in nicht enden wollendem begeistertem Applaus.
Haller Tagblatt, 16. November 2022, Rainer Ellinger
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So geht Männerchor heute!
Stunde der Kirchenmusik mit Knabenchor collegium iuvenum Stuttgart wird zum Treffen der Generationen
Heilbronn. Seit 1989 besteht der ökumenische Knabenchor collegium iuvenum Stuttgart. Altersbedingt kommen und gehen Jungs und junge Männer, die Qualität bleibt ungebrochen. Zu einer Art Treffen der Generationen wird in der Kilianskirche die Stunde der Kirchenmusik vor dem dritten Sonntag nach Epiphanias, denn Pfarrer im Ruhestand Richard Mössinger mischt sich zur Liturgie unter den Knabenchor. Ausgezeichnet Dirigent Sebastian Herrmann hält den trotz Abstand und Masken ausgezeichnet agierenden Chor mit begleitender Hauptorgel gut zusammen. Dort steigt Organist Antal Váradi sehr romantisch ein, eröffnet „Te lucis ante terminum“ (Howard B. Gardiner) mit sanft anrollenden Bewegungen und sehr differenzierter Behandlung des Schwellwerks. Der 1877 in London geborene Gardiner ist Vollblutromantiker, seine Bitte um den Schutz des Schöpfers vor dem Verschwinden des Lichts setzt der Chor klanglich wie den delikaten Farbverlauf eines Abendrots um. 300 Jahre früher kommt die Vertonung des „Te lucis ante terminum“ von Thomas Tallis in akkordischer Strenge daher, nachgelagerter Einsatz der hohen Stimmen sorgt für minimale Bewegung. Howard Goodall (1958) vertonte zahlreiche Filmproduktionen mit Rowan Atkinson, schreibt aber auch geistliche Musik. Nur die jüngsten Stimmen des Knabenchors widmen sich Goodalls preisgekröntem 23. Psalm „The Lord is my shepherd“ mit rhythmischer Homogenität. Nach dem euphorisch jubelnd aufsteigenden „Arise, shine“ des gebürtigen Iren und strengen Londoner Kompositionslehrers Charles Villiers Stanford nimmt der Chor eine Auszeit, während Antal Váradi die Nr. 3 Toccata aus den „12 Pièces pour orgue“ (1886) von Theodore Dubois mit jugendlicher Frische, aber auch gesetzten rhythmischen Schwerpunkten in Angriff nimmt. Viel Klang Dann gehört das Podium den jungen Männern. Verzückt hört man „Schöne Nacht“ des romantischen Wahl-Esslingers Wilhelm Nagel. So geht Männerchor heute: Viel Klang statt Bauchgefühl, tragfähig selbst an leisen Extremstellen. Dirigent Sebastian Herrmann führt die jungen Sänger mit Fingerzeigen durch ein weites Spektrum aufrichtig emphatischer Stimmkunst. In amerikanischer Kriegsgefangenschaft lernte der 2001 gestorbene Oberpfälzer Franz Biebl Spiritual und Gospel kennen, empfand aber existierende Chorarrangements als zu schwierig. Einen Hauch davon durchzieht die Harmonik des demütig schönen „Ave Maria“, dem sich die jungen Chormänner mit Inbrunst widmen. Ein drittes großes Oratorium „Christus“ konnte Felix Mendelssohn nicht vollenden. Aus dem ersten Teil von Mendelssohns Fragment gib es immerhin den Chor „Es wird ein Stern aus Jakob aufgeh’n“ mit dramatisch verdichtetem Mittelteil „Der wird zerschmettern Fürsten wie Städte“, vom ganzen Knabenchor mit oratorischer Verve gesungen. Als weihnachtliche Reminiszenz fügt sich überraschend der Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ an. Sehr schön!
Heilbronner Stimme, 24. Januar 2022, Lothar Heinle
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Klänge aus der Dämmerstunde
Der Kammerchor Oberaspach überzeugt in Hall mit romantischer Chorliteratur
Schwäbisch Hall. Als Kinder durften wir das elektrische Licht immer erst anknipsen, wenn es draußen ganz dunkel geworden war. Unsere Mutter wollte das „Dämmerstündchen“ genießen. Diese kontemplativen Minuten sind das Leitmotiv für die Programmgestaltung des Abendkonzertes, das der Kammerchor Oberaspach in der Kirche St. Joseph in Hall gab. Früher hat diese Übergangszeit offensichtlich auf die Dichtung eine weitaus größere Faszination ausgeübt, da damals die hereinbrechende Nacht als Beendigung des Tages noch nachempfindbarer war als in der Zeit der elektrischen Willkür. Besonders ist natürlich die Epoche der Romantik in den vertonten Gedichten vertreten. Zehn von den fünfzehn Liedbeiträgen des Abends entstammen dem 19. Jahrhundert. Abendlied klingt in Stille aus Darunter vier von Johannes Brahms. Recht bekannt sind die „Waldesnacht“ und „In stiller Nacht“ sowie das langsame Walzerlied „Guten Abend, gut‘ Nacht“. Allerdings weniger in dieser vielgestaltigen Chorversion, die mit gesummter Vokalise beginnt und in der Strophe zwei von den Tenören getragen wird, begleitet von einer Sopranüberstimme. Leises Summen löst das Abendlied in die Stille auf. Hingebungsvoll gesungen ist auch das polyphone „Geistliche Lied“, ebenfalls von Brahms, sanft an der Orgel durch den Ungarn Antal Varadi begleitet. Besonders beeindruckend das sich auffächernde und dann verschwindende „Amen“. „Wirf dein Anliegen auf den Herrn“ und „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren“, auch „Verleih uns Frieden gnädiglich“ (nicht in der bekannten liturgischen Melodie), alle von Felix Mendelssohn, werden sehr beseelt intoniert. Das orgelbegleitete „Pater noster“ von Frank Martin aus dem Jahr 1944 ist vielfach unisono und offenbar durch den gregorianischen Gesang inspiriert. Rheinbergers „Abendfriede“ und William Henry Monks „Abide with me“ – in deutscher Sprache als „Bleib, bei mir Herr“ geläufig– und auch „Cantique de Jean Racine“ von Gabriel Fauré erwecken sanfte romantische Gefühle. John Rutters „The Lord bless you“ entstand im 20. Jahrhundert und gibt bei aller Weichheit eine Nuance von Modernität. Einziges Orgelsolo ist das trocken und klangkarg interpretierte „Meine Seele erhebt den Herrn“ von Bach. Melchior Vulpius’ „Hinunter ist der Sonnen Schein“ vertritt die Renaissance und ist als einziger Beitrag recht heiter, fast ein Tanzlied. Ein veritabler Elitechor: Martin Schirrmeister, der Gründer des Chores, hat die Leitung des Ensembles an den noch sehr jungen Sebastian Herrmann abgegeben, der mit eminenter Akribie und Detailverliebtheit eine nuancenreiche, melodiebewusste und sprachgenaue Interpretation herausholte. An wenigen Stellen wirkt die Gestaltung allerdings etwas ingeniös und könnte ein bisschen naiver daherkommen. Die Sonorität der Männerstimmen, die selbst mit einem „Hauch“ den Raum erfüllen können, und die strahlende, durchaus jugendhafte Klangbrillanz des Soprans – der allerdings mitunter zu auffällig ist – machen den Chor zu einem veritablen Elitechor, der besonders die introvertierte Besinnlichkeit der Texte und der Musik in feinst abgestufter Klanglichkeit umsetzen kann. Lang anhaltender Applaus wird mit dem „Glory to thee, my God, this night“ des englischen Renaissancekomponisten Thomas Tallis belohnt.“
Haller Tagblatt, 05.Juli 2017, Rainer Ellinger